Die Küchenmaschine
Ich will mit meiner neuen Küchenmaschine einen Pizzateig herstellen. Bisher war das ganz einfach, Zutaten in die Rührschüssel, Maschine für zwei Minuten einschalten, fertig.
Ganz anders jetzt in der modernen Zeit. Die Küchenmaschine fragt nach der Menge der einzelnen Zutaten in Gramm, um die notwendige Knetintensität abzustimmen.
Nachdem ich die Zutaten wieder aus der Schüssel genommen habe, wiege ich diese einzeln nach und fülle sie nacheinander wieder in die Schüssel.
Die Maschine fragt nach, für welche Art Gebäck oder Teig, für welches Gericht die Zutaten gedacht sind. Auch das gebe ich über die Tastatur ein und möchte die Maschine endlich einschalten. Geht aber nicht, denn sie will jetzt noch wissen, wieviele Minuten nach der Fertigstellung ich den Teig entnehmen möchte, damit er solange frischgehalten werden kann und ob die automatische Teig-kühlung 2 Minuten nach dem Ende des Vorganges eingeschaltet werden soll.
Verzweifelt entnehme ich der Rührschüssel die Zutaten wieder, suche im Werkzeugkeller meinen alten Mixer wieder (ich hatte ihn zwischenzeitlich zum Umrühren von Farben verwendet) und lasse ihn zu neuen Ehren kommen.
Der Geldautomat
Eigentlich wollte ich nur schnell hundert Mark von meinem Konto abheben. Der zuständige Geldautomat fragt mich nach dem Einführen der EC-Karte logischerweise nach meiner Geheimzahl. Ich gebe sie ein und ... er meldet, sie wäre falsch.
Also ein neuer Versuch. Geheimzahl eingeben, Geldautomat fragt, ob ich Geld abheben will. "Na klar!" antworte ich und warte auf die Auszahlung. Dieser Computer meldet aber: "Auszahlung nicht möglich, Konto weist kein entsprechendes Guthaben auf." und spuckt die Karte wieder aus.
Da ich genau weiß, daß dieser Spruch gelogen ist (schließlich war erst vorgestern Zahltag), wage ich einen weiteren Versuch: Karte rein, Geheimzahl eingegeben, der Geldautomat meldet: "Dieser Geldautomat ist zur Zeit außer Betrieb" und behält meine Karte.
Wie ein armer Sünder gehe ich an den Bankschalter und erhalte nach einer geschlagenen halben Stunde meine Karte zurück. Zuvor mußte erst "das System heruntergefahren" werden, ein Verantwortlicher und ein Kundiger gesucht und gefunden werden, des Geldautomaten Rückseite geöffnet und zwischen allerlei Unrat meine Karte gefunden werden. Am Kassenschalter (an dem inzwischen 8 andere Gefrustete vor mir stehen!) kann ich, welche Freude, nach einer weiteren Viertelstunde meine hundert Mark in Empfang nehmen.
Die Fahrkarte
Jetzt schnell eben eine Fahrkarte für den öffentlichen Personen-Nahverkehr ziehen, um vom Mainz-Hauptbahnhof nach Wiesbaden-Bierstadt zu fahren.
Kein Problem, meinst Du? Von wegen!
"Geben Sie das Ziel ein" erscheint auf dem Monitor. Leider hat der Apparat mein Wunschziel nicht in seiner Liste, er fragt also jetzt nach der Regionalzone. Die weiß ich aber leider nicht.
Glücklicher- und ersatzweise kann ich auch die Entfernung eingeben. Ich tippe also den geschätzten Wert von 35 km ein. Was passiert? Ganz einfach, die Fahrkarte soll elfmarksechzig kosten, sagt dieses Monster.
Der Fahrkartenautomat verspricht die Annahme von Zehnmarkscheinen, also führe ich einen solchen ein. Nachdem er ihn zweimal abgelehnt hat (hinter mir werden die Leute langsam ungeduldig) gebe ich auf und versuche es mit Hartgeld. Ich suche und finde drei Fünfmarkstücke im Portemonnaie.
Da der Automat gemäß der offiziellen Beschriftung wechseln können soll, fange ich an, ihn mit Fünfmarkstücken zu füttern. Nach dem zweiten "Heiermann" verlangt der Blechkollege aber plötzlich abgezähltes Geld, da nicht genügend Wechselgeld vorhanden sei.
Ich breche den Vorgang mangels Kleingeld ab und erwarte die Rückgabe meiner zwei Fünfmarkstücke. Was herauskommt, sind zwanzig Groschen und acht Markstücke. Soviel zum Thema "nicht genügend Wechselgeld".
Inzwischen ist denn auch mein Bus weg und ich freue mich über die gewonnene Wartezeit von zwei Stunden, bis der nächste Bus fährt.
Die Tankstelle
Auf meiner Fahrt ins Blaue und durch die finsterste Wallachei komme ich an einer Tankstelle vorbei. Da der Tank fast leer ist, beschließe ich zu tanken.
Ein Schild an der Tankstelle verspricht, daß mit der EC-Karte bezahlt werden kann, also mache ich den Tank voll und wende mich zur Kasse.
Der Kassierer aber teilt mir traurig mit, daß das Modem leider ausgefallen, damit auch keine Verbindung zur Zentrale möglich sei und ich somit bar bezahlen müsse.
Kann ich aber leider mangels Masse im Portemonnaie nicht.
Und jetzt?
Nach einem mehr als hitzigen Wortgefecht, der gegenseitigen Androhung von Konsequenzen in Form einer gehörigen Tracht Prügel und dem genauesten Überprüfen meines Personalausweises läßt sich der Tankwart darauf ein, daß ich ihm einen Schuldschein ausstelle und das Geld in den nächsten Tagen überweise.
Das Bett
Im Hotelzimmer, in dem ich zu nächtigen gedenke, steht ein hypermodernes Bett, drauf liegt eine Fernbedienung.
Müde bette ich mein Haupt, stelle aber sofort fest, daß das Kopfende des Bettes viel tiefer liegt als das Fußende. Ich greife nach der Fernbedienung und versuche, diesem Mißstand durch Betätigen einer der unbeschrifteten Tasten abzuhelfen. Das Ergebnis ist, daß plötzlich das Kopfende hochklappt und ich im rechten Winkel sitze.
Der in panischer Hast gedrückte zweite Knopf klappt mit Schwung das Fußende herunter, ich sitze jetzt also wie vor meinem Schreibtisch.
Ein nächster Knopf versetzt das Bett, immer noch in derselben Stellung stehend, in sanfte Schwingungen, ein weiterer schaltet das Licht, der nächste den Fernseher ein.
Sieben Knöpfe weiter habe ich die Matratzenheizung, das Massagekissen und die Bettlautsprecher im Griff und das Bett so weit, daß Fuß- und Kopfende steil nach unten zeigen, dafür aber das Mittelteil nach oben.
Verzweifelt nehme ich Kopfkissen und Oberbett und schlafe dann doch lieber auf dem Fußboden.
Diese Liste und die darin beschriebenen Erlebnisse ließen sich wahrscheinlich noch in alle Ewigkeit fortsetzen (das Telefon, das sich weigert, eine Nummer zu speichern; das Faxgerät, das nicht ausdrucken will; der Taschenrechner, der Ergebnisse liefert, zu denen die Rechenaufgaben nicht passen; die Ampel, die für alle grün wird, nur nicht für mich, undsoweiter undsoweiter).
Widerstand gegen diesen Segen des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist zwecklos, er verfolgt uns überall hin. Und das ist auch gut so, denn wer wollte sich schon dem Fortschritt in den Weg stellen?!
Wie gesagt, ein Segen, diese EDV. Oder war etwa früher doch alles besser? Als man noch spontan war? Als man sich noch auf Erfahrungen verlassen konnte? Als es noch "menschelte", wo es Menschen gab? Als es noch Menschen gab?!?
Und heißt EDV jetzt eigentlich wirklich "Ende der Vernunft"?
To be continued!
© 1999